Die Ästhetik der Unvollkommenheit

Die einzigartige Kraft in Matuschewskis Arbeit liegt im Bruch. Wie kaum ein anderer gelingt es ihm im Spannungsfeld zwischen Spontanität, Störung, Prozess und Energie gegenüber formaler Perfektion die Unvollkommenheit, menschlicher, sozialer und gesellschaftlicher Muster in zerstörende und doch ästhetische Realitäten zu packen.

Matuschewski spielt oft mit der harten Materie des Betons, dem er eine zart-zerbrechliche Verletzlichkeit einflößt, als Metapher zwischen Schein und Sein.

Seine Kunst ist provozierend gnadenlos und dann doch in letzter Konsequenz wie eine heilende Umarmung, die räumliche, menschliche und gesellschaftliche Brüche zwar aufzeigt aber auch zu entstigmatisieren vermag

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2017 BERLIN
BildenDE Kunst

Die „Sublimierung“ der Trauer, ist ein psychologischer Prozess, „in dem niedere und unbeeindruckende Erfahrungen in etwas Edles und Feines verwandelt werden“. (Alain de Botton and John Armstrong: Art as Therapy). 

Dieser Satz könnte die Essenz aller Arbeiten von Matuschewski in der bildenden Kunst umfassen. Der tiefe Schmerz, herrührend aus persönlichen oder gesellschaftlich relevanten Erfahrungen, übersetzt in Ästhetik. Der Wille gegebene Formen, Umstände oder Räume, selbst wenn sie nicht dem eigenen Ideal entsprechen, nicht zu zerstören, sondern in neuem Kontext zu interpretieren, charakterisiert nicht nur seinen Stil, sondern auch die Persönlichkeit des Künstlers.

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Placemaking

„Es geht nicht nur um eine Person oder Szene. Wir wollen uns daran erinnern, was wirklich zählt, und die Menschen, die wir gute Künstler nennen, sind diejenigen, die die richtigen Entscheidungen getroffen haben, was sie kommunizieren möchten und was weglassen.“ (Alain de Botton and John Armstrong: Art as Therapy).

Die Reduktion auf das Wesentliche und die Kunst nicht die eigene Idee, sondern dem Subjekt und dem Ort Raum für Diskurs und neue Gedankensätze zu geben und in ungewohnten Materien provozierende Wahrheiten zu entdecken, roh und doch fast zart – ist der Rote Faden, der Matuschewskis künstlerisches Schaffen verbindet.

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Ernst Thälmann Denkmal
"Nichts als Arbeit"
Die Ästhetik der Unvollkommenheit

Obwohl auf den ersten Blick ästhetisch angenehm, schlägt Matuschewski intellektuelles Konzeptionstalent schnell, die vermeintliche Harmonie des ersten Blicks. Dabei gelingt es ihm immer, nicht sich selbst und seine Kunst als Mittelpunkt seines künstlerischen Schaffens zu stellen, sondern beispiellos den Raum als Fokus der Inszenierung neu zu erfinden.

Die Stärke konzeptioneller Künstler zeigt sich oft darin, dass es schwer ist, sie in die Kategorien des Kunstmarktes einzuordnen. Genau das trifft auch auf Matuschewski zu. Die Fülle seiner Ideen konterkariert stark mit der formalen Idee des Künstler der in Materie und Stil Wiedererkennbarkeit benötigt um erfolgreich zu sein. Matuschewskis „Stil“ erinnert mehr an eine Metapher des französischen Philosoph Jacques Derrida der den Prozess beschrieb, durch den Sprache Bedeutung erlangt: „Differance“- Wörter „verschieben“ die Aufgabe ihrer eigenen Definition auf andere verwandte Wörter, ihre Bedeutung ist nicht angeboren oder gar so spezifisch, sondern ergibt sich aus dem besonderen Loch, das sie in einer Konstellation verwandter Ideen füllen. Denn wenn es einen roten Faden gibt, der sich durch seine gesamte Werke streckt, dann ist es genau das. In der Beliebigkeit der kreativen Ideen und Prozesse das Loch zu identifizieren das allen gewohnten Zusammenhänge neue Bedeutung verschafft.

Matuschewski arbeitet im Schwerpunkt in den Bereichen: Placemaking, Bildende Kunst, und Architektur

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Bildende KUnst

Matuschewski wuchs als eins von 6 CODA (Children of Deaf Adults) Kindern, in Kreuzberg auf. Schon früh lernte er zwischen zwei Welten zu navigieren und fühlte sich doch, weder in der Welt der Gehörlosen und der Hörenden zu Hause. Als bildender Künstler ist es genau das Gefühl was ihn treibt. Seine Kunst ist Brücke zwischen den Welten, die oft die tiefe Trauer des Verloren seins widerspiegelt, und gleichzeitig versucht zwischen Schmerz und Harmonie, Schein und Sein zu vermitteln. Charles Mingus sagte einst: „Kreativität ist mehr als nur anders zu sein. Jeder kann ein wenig rumspinnen, das ist leicht. Was schwer ist, ist, so einfach wie ein Bach zu sein. Das Einfache, unglaublich einfach machen- das ist Kreativität“. Matuschewski beherrscht durch die Erfahrungen seiner Kindheit genau das. Die unglaubliche Leichtigkeit der Einfachheit, die erst auf den zweiten Blick die Tragweite des menschlichen Seins aufzudecken vermag.

Matuschewski arbeitet im Schwerpunkt in den Bereichen: Placemaking, Bildende Kunst, und Architektur

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PLacemaking

Seine Karriere begann Matuschewski 1986 mit einer Ausbildung zum Betonstein und Terrazzohersteller, ein Handwerk, das auch seine künstlerische Arbeit noch bis heute begleitet, gefolgt von einer Ausbildung zum Diplom-Architekten, die im vielen Auszeichnungen einbrachte. Der kreative Prozess (eines Architekten) ist ein Cocktail aus Instinkt, Geschick und ein hochkreativen Fieber. Placemaking ist daher die natürliche Verlängerung Matuschewskis Handwerk in die Kunst. Dabei geht es ihm auch hier nicht darum, Aufmerksamkeit zu kreieren, um sich selber einen Namen zu machen, vielmehr geht es um konzeptionellen Mut, gepaart mit einem treffsicheren kulturellen und emotionalen Verständnis für Raum, Zeit und Menschen. Hier gelingt es ihm Geschichte im Zeitgeist neu zu interpretieren, zu polarisieren, aber auch Raum zu schaffen, für neues kritisches Denken für und mit der Community für die er arbeitet.

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Auferstehung des Bruchs

Bruchstücke aus einer alten Terrassenkonstruktion, lustlos entsorgt auf einem Schrottplatz, inspirierten Matuschewski, sich mit dem Thema Wiedergeburt und Auferstehung auseinanderzusetzen. Die Elemente, die ursprünglich dem dem Zusammenhang einer festen Konstruktion dienten, wurden aus ihrer Aufgabe entbunden. In Matuschewskis neuem Kontext bewegen sich die Elemente nun frei, fast selbstbewusst beflügelt im Raum und werden so vom Nutz- zum Zierobjekt. Die Spuren des Bruchs wurden geheilt und unkenntlich gemacht. Somit werden sie ihrer Vergangenheit entbunden und in ein neues Leben entsandt.

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DIE UNVERWECHSELBARKEIT DER KOPIE

Der Beton, wiederholt in die gleiche Fassung eingebracht ist aus einer Rezeptur entstanden, von gleicher Art und Größe. Mit der Zeit sich zu entwickeln, zeigt er bei näherer Betrachtung, dennoch Unterschiede. Man entdeckt Poren, Brüche und Farbnuancen auf der sichtbaren Seite – ein Resultat aus der zufälligen Verteilung von Körnung innerhalb der Fassung. Die Frottage macht den Kern sichtbar zeigt den Verlauf innerhalb des Abhärtungsprozesses. Beide Kern- und Oberfläche sind somit untrennbar. Der Werkstoff Beton steht wie kein anderer für tragende Aufgaben. Eine statische Berechnung und somit planerische Leistung sind unmittelbar Teil des Werkstoffes.

Matuschewski möchte den Beton bewusst dieser Aufgabe entziehen. Er soll sich in einer frei gewählten Form entfalten, sie ausgießen. Die Form unterliegt keinem gestalterischen Anspruch und tritt bewusst in den Hintergrund.

Bestandsradierung sichtbar. Der Zement wird am Objekt selbst sichtbar. In der Definition von Terrazzo als geschliffenes Bodenelement, erhebt sich diese Serie, zeigt sich frei in seiner unbehandelten Materialität.

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Ernst Thälmann Deutscher Superstar

Nach einem langen Streit um den Abriss des kontroversen Denkmals, der sich seit 1989/90 zieht und 2014 vorläufig mit dem Eintrag des Monuments in die Denkmalliste zur Ruhe kam, entschloss sich der Bezirk Pankow im Sommer 2019 einen Wettbewerb zur künstlerischen Dokumentierung des Denkmals auszuloben. 110 Einreichungen, von denen 10 den Zuspruch zur weiteren Ausarbeitung erhielten blieb eine klare Antwort jedoch bis heute schuldig. Die Jury war nicht in der Lage eine eindeutige Entscheidung zu fällen und lobte keinen 1.Platz, sondern 2 zweite Plätze aus.

Mario Matuschewski und seine Künstlergruppe (Niko Krug/Mario Matuschewski) lösten diese….. in der Vergangenheit in einen zeitrelevanten Kontext uminterpretieren, um die Kluft zwischen damals und heute zu überbrücken. In einer Erklärung heißt es: „Hier und jetzt spielt die Geschichte von Ernst Johannes Fritz Thälmann keine Rolle. Als riesige Bronzestatue hat er Jahrzehnte überdauert. Wir entbinden ihn von allen seinen politischen Ämtern, ab heute darf er was werden.“Er war schon immer: ein Rapper.“ Und damit veränderten sie die Geschichte, indem sie ihm eine monumentale goldene Rapper-Kette verliehen, die den öffentlichen Diskurs eröffnete und alle Generationen einbezog.

Man kann sich nun vorstellen, was die konzeptionelle Kraft der goldenen Kette mit Denkmälern auf der ganzen Welt bewirken könnte…

„Das Preisgericht würdigte den Beitrag als „radikalen Kommentar, der auf der Höhe der Zeit ist. Die Verbindung zwischen zwei Welten aus Politik und Musik, aus Street Poetry und Ideologie und zwischen den Generationen birgt entsprechend viel Diskussionspotential. (…) Die präzise Aussage zum ideologischen Missbrauch einer politischen Person irritiert und stellt Fragen. Genau das ist die Stärke einer Kommentierung, die nicht didaktisch sein will und zugleich die Verbindungen in aktuellen Debatten sucht.(…) Kontrovers wurde gerade die Symbolwirkung diskutiert und ein mögliches Missverständnis durch positiv empfundene Glorifizierung befürchtet.“

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Ernst Thälmann Denkmal
Der Einwanderer

I came, I saw, I concreted

Die Installation der Einwanderer wurde extra für die Galerie 88 von Star Architekt Chris Bosse im Hause von LAVA (Laboratory for visionary Architecture) entworfen. „I came, I saw, I concreted“ ist eine Phrase, die Matuschewski aus dem Wissen schuf, dass viele der illegalen Immigranten oft auf dem Bau als Betonierer arbeiten. Obwohl das Werk extra für den Raum in Sydney geschaffen wurde, ist es heute auch im internationalen Kontext relevanter denn je.

Die Plastiktasche ist metaphorisch für das Element, was alles Hab und Gut der Migranten repräsentiert. Doch gefüllt mit Beton und geschlossen mit Kabelbindern steht sie doch für so viel mehr. Die Last der mitgenommenen Emotionen, den illusionären Traum der Freiheit und die Angst jederzeit verhaftet zu werden – all das ist visualisiert in der Installation. Die Tragik der Gefühle, der Bruch der Kulturen, aber auch der nie endende Druck, gibt der Installation eine auf den ersten Blick trügerisch- spielerische Komponente, durch die wie Boote auf hoher See angeordneten Objekte, und doch eine verstörende fast erdrückende ´Perspektive verankert in der Realität einer für immer tragenden Wehmut- die vernichtet.

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The Einwanderer I